NEUINSZENIERUNG "KÖNIG DES GLÜCKS"

“ROCKY SEXY AMADEUS” WDR 3 und “Die Welt”

...Mozart spielte zur Entstehungszeit von “Il re pastore” mit den Formen des Musiktheaters, probierte aus, hatte noch nicht den großen Atem und die psychologische Meisterschaft seiner großen Opern. Das Unfertige, das Frische und Kreative der Musik hat die Wiener Mozartband gereizt, “Il re pastore” zu bearbeiten und unter dem Titel “König des Glücks” auf die Bühne zu bringen. Die Geschichte hat sie dabei überhaupt nicht interessiert, sondern die Gefühle in den Arien und Ensembles. Eine Handlung gibt es nicht mehr, der von Claudia Weinzierl konzipierte Abend hat die offene Form einer Nummernrevue, doch das ist eine Qualität, weil die Dramaturgie der Brüchigkeit direkten Zugang zu den Emotionen ermöglicht.

Mozarts Melodien hat der Komponist und Bandleader Wolfgang Staribacher in eine heutige musikalische Sprache übersetzt, ein Crossover zwischen Klassik, Rock, Jazz, zeitgenössischer Musik und Musical. So etwas versackt oft in Beliebigkeit, hier ist das Gegenteil der Fall. Mit traumhaft sicherem Gespür hat Staribacher jeder Melodie eine Form gegeben, die perfekt zu ihr passt. Deswegen entsteht niemals der Eindruck, hier würde Mozart parodiert, verfremdet oder gar vergewaltigt. So unglaublich das klingen mag: die Wiener sind wirklich eine Mozartband, sie spielen ganz in seinem Geist, die Stücke behalten ihre emotionale Kraft und gewinnen noch an Ehrlichkeit.

Die Band steht im Mittelpunkt der Bühne. Jeder Musiker ist ein Hauptdarsteller. Selbstverständlich agieren sie mit den Sängern zusammen, feuern sie an, machen sie an, peitschen sie hoch. Man sieht Leidenschaft in den Gesichtern der Instrumentalisten, hundertprozentige Hingabe. Es brodelt, es knallt, es schluchzt und begehrt, es lacht und triumphiert in diesem Kraftwerk, das bei aller Energie voller Zwischentöne und Behutsamkeit musiziert.
“Etwas zu tun heißt, etwas zu wagen”. Darum geht es auch in den wortverspielten Zwischentexten, die Friedhelm Kändler geschrieben hat. Eine Schauspielerin kommt auf die Bühne mit einem zerfledderten Reifrock, ein Underdog der Hofgesellschaft, eine, die nicht mitmachen darf. Sie erzählt von Einsamkeit und Sehnsucht. Im Laufe des Abends findet sie die Kraft, etwas zu tun, also etwas zu wagen.Sie entfernt die Reifrockreste und beginnt zu strahlen…Man glaubt ihr alles. Wie auch den Sängern:
Annette Koch, die blonde Verführung in einem Kostüm, für das sie einen Waffenschein bräuchte. Mit ungebremster Lust spielt sie eine adelige Schlampe, eine Koloraturenkönigin, in deren Gesang Eleganz und Erotik, aber auch Niedertracht und Neurose stecken. Ihre Rivalin und vielleicht ihre andere Seite ist Barbara Karolyi, der Muttertyp, wärmer und weicher. Und eine Sopranistin, die mühelos zwischen Musical- und Opernstimme wechselt, was eine enorm sichere Technik voraussetzt. Zarte Falsettklänge steuert Darius Lee Booker bei, und Christian Wolf ergänzt das Quartett mit einer rauhen Rockröhre, in der Wut, Kraft und eine große Zärtlichkeit stecken.
Warum wird eigentlich heute im klassischen Konzertbetrieb nicht mehr improvisiert? Alle großen Interpreten und Komponisten in Barock, Klassik und Romantik haben das getan, und die Spontaneität war eine besondere Qualität. Die Wiener Mozartband tut es, über alle Genregrenzen hinweg, die ohnehin unsinnige Mauer zwischen E- und U-Musik fröhlich pulverisierend. Ihre überwältigende Spiellust folgt ausschließlich den Gesetzen musikalischen Geschmacks. Solche Töne wie sie der Serbe Vladimir Kacar spielt, habe ich auf einem Fagott noch nicht gehört. Er ist der einzige Bläser im Ensemble und liefert sensationelle Soli mit einem Farbenreichtum, der begeistert. Im Theater Aachen war eine Stimmung wie bei einem Rockkonzert, und das bei einem Abend, der im Kern experimentelles Musiktheater ist. Aber ein hoffentlich zukunftsweisender Erfolg, eine kreative Alternative: rocky, sexy, anspruchsvoll und populär.

“Flotter Mozart-Rock im Wirbel der Gefühle”
Aachener Zeitung

Ein feines, flirrendes Geräusch beherrscht den Raum, die Luft scheint zu vibrieren und sich elektrisch aufzuladen. Eine schmale Gestalt in blau-grün schillernder Seide wird sichtbar. Der seltsame Mann (Percussionist Yogo Pausch) kommt – zwei exotische Schlaginstrumente in den Händen – näher, wird lauter, verschwindet über die abgeschrägte, weiße Rundbahn wieder. Wenn schließlich Anne-Isabelle Zils ganz in Schwarz mit zerstückeltem rotem Reifrock-Skelett die Bühne betritt, herrscht bereits Spannung im Publikum: was erwartet einen?...Was 1999 bei den Wiener Festwochen uraufgeführt wurde, verfehlte auch in Aachen seine Wirkung nicht. Die Inszenierung von Dirk Diekmann in Zusammenarbeit mit Claudia Weinzierl hat Witz und Kraft, ist tiefgründig und leicht zugleich. Von einer Handlung kann keine Rede sein, aber man ist gespannt auf jede Szene, auf jede neue Spielart, mit der hier Geist und Sinne beschäftigt werden…Farben und Lichteffekte zaubern Stimmungen. Leidenschaftlich legen sich die Musiker ins Zeug, jeder für sich ein ausgezeichneter Solist mit nahezu unerschöpflicher Energie und Spielfreude, an ihrer Spitze Bandleader Wolfgang Staribacher – verzückt dem Akkordeon hingegeben. Da fliegen die Funken, wenn Annette Koch und Barbara Karolyi in ihren reizvoll surrealen Kostümen zum stimmkräftigen Duell antreten, zwei Künstlerinnen mit großer Substanz und Ausstrahlung. Es geht um Liebe, Erotik und Glück…
In diesen Wirbel aus Farben, Klängen und Gefühlen spricht Anne-Isabelle Zils die heiter-melancholischen Texte von Friedhelm Kändler, mit der nötigen Portion Ironie, Selbstsicherheit und Biss. Es ist eine seltsame Mischung aus philosophisch-nachdenklichen Beobachtungen über das Leben, den Menschen und seine Sehnsüchte mit Wortspielereien, die verblüffen und Spaß machen – zum Beispiel vom Schauspieler, der sein Publikum zum Aufstehen bringen möchte, damit es sich “wi(e)dersetzt” (und die Aachener machten gleich mit!)...
Ein begeistertes Publikum feierte den “König des Glücks” mit enthusiastischem Beifall und erlebte noch einige Zugaben. Staribacher hat erneut bewiesen, wie jung Mozart sein kann. Der heitere Abend eines gelungenen Experiments.

“KÖNIG DES GLÜCKS MIT AKKORDEON UND FALSETT”
DPA

Während in den meisten Opernhäusern an Rhein und Ruhr Urlaubsstille herrscht, geht es im Musiktheater Aachen bereits rund. Unter dem Titel “König des Glücks” ist eine Rockband mit einer Mozartinterpretation ins Opernhaus eingezogen und riss das Premierenpublikum aus den Sesseln. Wohlgemerkt: da hatten sich keine jugendlichen Rockfans im Parkett und den Rängen versammelt, sondern großteils Opernfreunde im gesetzten Alter. Doch was da eineinhalb Stunden lang auf der Bühne an musikalischem und literarischem Witz, an fulminanten Stimmen und virtuosen Klängen abging, erwies sich als ziemlich einmalig…
“MOZART INS ZEITALTER DER WUMMERNDEN BÄSSE GEBEAMT”
Grenz-Echo

Denkmalgestalten stehen zumeist auf Sockeln und werden vor grobem Zugriff durch unerklimmbare Höhen geschützt. Wer die Verehrten aus der alles überragenden Distanz befreit oder vom Zeitstandort entfernt, muß mit Gegenwehr rechnen. Der Musiker und Komponist Wolfgang Staribacher hat es dennoch gewagt. Der gebürtige Wiener hatte gute Gründe, sein Musikidol W.A. Mozart respektvoll vom Altar der Andacht zu heben und das Vermächtnis der spirituellsten aller klassischen Tonschöpfer aus den Stilvorgaben des 18. Jhdts. In die Neuzeit zu beamen. Staribacher rekonstruierte, instrumentierte um, phantasierte und improvisierte…Im Aachener Theater feierte das Gemeinschaftswerk der Seelenverwandten Staribacher (Komposition und Musikalische Leitung), Claudia Weinzierl (Entwurf und Realisation) und Dirk Diekmann (Inszenierung) Premiere. Nahezu einhelliger Kommentar des Publikums “Wouw”.
Schon bald wird dem Zuhörer und Betrachter klar: Hier wird ein Gesamtkunstwerk kreiert, eines, das alles umschließt, was Leben, Lieben und Empfinden ausmacht. Gesucht wird jene Schwingung des Glücks, die der kreativen Freiheit entspringt. Wolfgang Staribacher und seine Band sind der Echtheit auf der Spur. Wenn es wesentlich wird und die Masken fallen, sind sie als musikalische Wegbegleiter da. Sie vereinen sich zu furiosen, lyrischen und heiter-melodiösen Klanggebilden. Sie malen Aquarellhaftes und modellieren Wuchtiges. Sie gruppieren sich zu kleinen Inseln der Poesie und aktivieren das Unbewußte mit stampfenden Rhythmen und jagenden Tempi…Die kompositorischen Übergänge zwischen dem Meister der tonalen harmonie und dem Mozartfan Staribacher sind wie Gleitschienen zwischen zwei Welten, die Im Wagnis der freien Gestaltung eins werden.
Annette Kochs profilstarker Mezzo, Barbara Karolyis gefühlvolle Klanggestaltung, die klaren Höhen von Darius Booker und das Blues-Timbre von Christian Wolf vereinen sich vor der gewölbten Farblicht- spielwand des Bühnenbildes zum jubelnden und mitreißenden Vollgetön. Rassig-bizarre und opulente Kostüme (Irene Schiller) sind optische Haltepunkte, an denen sich das Auge festsaugt…
Verzückt lächelnd steht Wolfgang Staribacher inmitten der mit innerer Verve agierenden Band und läßt seine Finger über die Tasten seines Akkordeons gleiten. Mozart hat sie alle ergriffen und in eine Art Trance versetzt…

“OH MOZART, WIE BIST DU VERROCKT”
“Honig und Paprika im Stadtheater Aachen”
Regioblick Aachen

Rock und Oper waren vereint, dazu kamen im Sprechtheater-Teil ein gehöriger Schuß Lebensphilosophie, Aphorismen und versteckte kleine Bosheiten, die das Publikum zum Lachen und Beifall auf offener Szene hinrissen. Diese Produktion der Mozartband war zuvor nur in Wien und München zu sehen. Die Aachener, alle Altersklassen waren vertreten und hingerissen. Es war nicht zuletzt das Verdienst der virtuosen Musiker, deren Darbietungen nach Vorgabe wie bei improvisation unübertrefflich waren. Hier spielten echte Könner – und mit echter Freude. Un die Sänger! Sie gefielen alle, und mehr als das, sie heimsten alle (mehrfache Vorhänge) den verdienten Beifall ein. Insgesamt: es war eine Mischung aus gesprochener hintergründiger Disputation, von Honig (den Arien) und Paprika (ihrer Ver-Rockung). Das war ein Dreiklang, der es in sich hat. Also, ganz ehrlich: es stimmte einfach alles. Dann fiel das Schlusswort “Ja, soweit erstmal” Aber da war noch gar nicht Schluß! Zehn Minuten lang standing ovations. Vier Zugaben. Ja wirklich: das war’s erstmal.

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